Sogar Wölfe auf Diät erleben großen Genuss

VEGETARISCHE KÜCHE

Das Eppendorf Restaurant Tassajara steht für fleischlose Tradition auf hohem Niveau

Wo Menschen sind, da muss die Lebenslüge sein: Zu den ganz Drolligen unter den Selbsttäuschern gehören jene Leute, die glauben und auch erzählen, sie seien Vegetarier, weil sie niemals Landtiere essen (wohl aber ständig Fisch, Scampi, Muscheln). Andere Sonderlinge bezeichnen sich als Saisonvegetarier, meistens lieben sie im Frühling das Gemüse, diese Typen erkennen einander daran, dass sie beim Spaziergang derzeit die Nase hoch tragen - kein Zeichen von Arroganz, sondern ein Reflex. Denn der Saisonvegetarier, sozusagen ein Wolf auf Diät, erschnüffelt überall Fleischdüfte, ah, bald wird er wieder sein Rinderfilet, den Lammrücken, die Schweinekarbonade genießen.

Als Saisonvegetarier bin ich im Eppendorfer Tassajara, seit 1976 bereits gibt´s hier vegetarische Küche, sogar Veganer bekommen ihr Programm, das heißt, auch Milch und Eier, Gelatine und Honig sollen für sie draußen bleiben. Der Besucher aus Berlin hat vorher in München gewohnt und schwört, beiden Städten würde ein Gemüselokal auf dem Niveau des Tassajara fehlen. Sehr ungern erinnere ich mich an einen Mittagtisch vor 15 Jahren bei einem Vegetarier am Dammtor: Es war ein Theater der Genussfeindlichkeit, die Griesgrame, sämtlich mit der Figur eines Langstreckenläufers, schimmerten grün, kann nur am Chlorophyll von der Pflanzenfresserei gelegen haben.

Im Tassajara bestätigt sich kein Vorurteil, da sehe ich doch sehr sinnliche Frauen (gilt besonders für die Kellnerin) und ein paar Männer, die sich von ihren Frauen wahrscheinlich «Bärchen» nennen lassen. Mein Besucher wählt  die Gerichte, seine Kompetenz ist mein Vorteil - wir nehmen gebackenen Fenchel mit Tandoripaste und Kokosschaum (7,90 Euro), Thaisuppe mit Gemüse und Thofu (3,90), gefüllte Zucchini im Nussmantel mit Meerrettichsauce, Mangold und Champignons (9,90); das Glanzstück des Abends, ein Triumph der Vitamine und Aromen, sind die Pfifferling-Mangold-Röllchen mit Spargel, Bärlauchschaum, Seitan im Kürbismantel, Süsskartoffelpüree, Rucola-Radicchio-Salat und gerösteten Pinienkernen (17,90). Gleich wird sich das Gefühl einstellen: Es ist alles da und genug, Tier auf dem Teller habe ich nie weniger vermisst als während dieser Mahlzeit.

Der Koch, ein Inder, bietet die Internationale der Vollwertküche und setzt Akzente aus dem Orient, mein Besucher emphielt fürs nächste Mal noch Klassiker, etwa die Pilzwiese und den Ingwergratin (je 11,90), das Auberginencurry (12,50) und die Feuerpfanne (12,90); die Stammgäste trinken viel von den Säften des Hauses (Rhabarber!) und naschen den Kuchen ohne Ei und Zucker oder nehmen das Tiramisu aus Yogi-Tee, Honig, Frischkäse und Sahne. Das Biobier Pinkus aus Münster verträgt sich mit dem Merlot aus Italien (18,90 die Flasche), er enthält keinen Schwefel.

Als wir später an einer Grillstation vorbeigehen, da hat der Schnüffelreflex ausgesetzt: Fleisch ist mir so was von egal, jedenfalls bis Mai.

UWE KOPF